Excerpt from: Th. Schwartze. Licht und Kraft. Lehr- und Handbuch der Elektricität zum Selbstunterricht, für Fachstudien und zur Aufklärung für jedermann. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 10. - 13. Auflage, 1914. 631 pp.


[pp. 290 - 293]

Die Erfahrung hatte gelehrt, daß gewisse Metalloxyde, die in der Chemie als Edelerden bezeichnet werden, sehr hohe Temperaturen vertragen und dadurch zu einem starken Hellglühen gebracht werden können. Diese Erden oder Metalloxyde sind aber bei gewöhnlicher Temperatur, also im kalten Zustande, Nichtleiter für den elektrischen Strom und werden erst durch Erwärmung zu Leitern für denselben. In Bezug auf diese Eigentümlichkeit werden sie im Vergleich zu den im kalten Zustande leitenden und im warmen Zustande ihre Leistungsfähigkeit vermindernden Metallen als Leiter zweiter Ordnung bezeichnet. Auf Grund der so bestehenden Eigentümlichkeit dieser Leiter zweiter Ordnung wurde ums Jahr 1897 die von Professor Nernst in Göttingen erfundene Magnesium-Glühlampe von der Berliner Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft auf den Markt gebracht. Diese in den Abbildungen Fig. 271 und Fig. 272 dargestellte Lampe besitzt im Vergleich zur Edison-Lampe den damals sehr bedeutenden Vorzug, daß sie nur etwa die Hälfte der Energie verbraucht, welche von der als 4-Voltlampe zu bezeichnenden Kohlenfadenlampe, also nur 2 bis 2,5 Volt bei der gelieferten gewöhnlichen Lichtstärke von 16 Normalkerzen verbraucht und daß ihre Herstellung dadurch vereinfacht wird, daß sie bei offenem Gehäuse brennt, denn das zu dem Glühkörper verwendete Stäbchen aus Magnesia (Magnesiumoxyd) muß beim Glühen in Berührung mit der atmosphärischen Luft stehen, damit das durch die Einwirkung des elektrischen Stroms zu Magnesiummetall reduzierte und dadurch für die Lichterzeugung weniger tauglich gemachte Leuchtstäbchen wieder oxydieren und somit seine volle Leuchtkraft wieder erhalten kann. Im Anfang wurde das Magnesiastäbchen zur Herstellung der elektrischen Leitungsfähigkeit mittels einer Spiritusflamme erhitzt, wodurch im Vergleich zu der sehr bequemen und sofort ansprechenden Einschaltung der Kohlenfadenlampe ein erheblicher Nachteil entstand, denn man mußte das Magnesiumstäbchen etwa zehn Sekunden lang mit der Spiritusflamme in Berührung lassen, um die bei etwa 800° Celsius eintretende und zur Herstellung der Stromleitungsfähigkeit erforderliche Temperatur der Rotglut zu erreichen. Es handelte sich also darum, die Lampen mit einer selbsttätigen Heizvorrichtung zu versehen. Zu diesem Zweck wurde das Magnesiastäbchen mit einer Metallspirale (Fig. 272) umgeben, durch welche der elektrische Betriebsstrom geleitet wird, um sie zum Glühen zu bringen und dadurch den eigentlichen Leuchtkörper der Lampe, nämlich das Magnesiastäbchen, vorzuwärmen. Um aber durch diesen Vorwärmeapparat keinen unnötigen Stromverbrauch herbeizuführen, mußte die Einrichtung so getroffen werden, daß die Heizspirale von selbst sich ausschaltet, sobald das Magnesiastäbchen genügend erhitzt worden ist. Darin lag eine beträchtliche Schwierigkeit, und es kostete jahrelange Bemühungen, um die Nernstlampe so einzurichten, daß sie den für den praktischen Gebrauch zu erfüllenden Bedingungen nach Möglichkeit entsprach. Die Einrichtung des Mechanismus für die Selbstunterbrechung der Vorheizspirale ist elektromagnetischer Art und besteht in der Hauptsache aus einem unterhalb der Heizspirale angebrachten ebenfalls spiralförmigen Vorschaltwiderstand. Wenn diese Spirale durch den eintretenden elektrischen Strom erhitzt wird, so bewirkt sie, daß ein kleiner Elektromagnet den Kontakt der Heizspirale mit der Stromleitung unterbricht und daher die Heizspirale außer Tätigkeit kommt.

Fig. 271. Nernstlampe.
Einrichtung des Brenners.

Fig. 272. Nernstlampe.
Widerstandsspirale.

Fig. 273. Nernstlampe im Gehäuse.

 

Fig. 274. Nernstlampe mit horizontalem Brenner.

Fig. 273 und Fig. 274 zeigen die äußere und innere Ansicht der in einem kugelförmigen Glasgehäuse angebrachten Nernstlampe, bei welcher aber der aus dem Magnesiumoxydstäbchen und der Heizspirale bestehende Brenner nicht vertikal, sondern horizontal eingesetzt ist, wodurch das Licht gleichmäßiger und stärker nach unten ausgestrahlt wird. Die Nernstlampe verbraucht pro Kerze 1,5 bis 1,7 Watt, jedoch nimmt ihre Lichtstärke viel schneller ab, als die Lichtstärke der Kohlenfadenlampe, so daß sie nur durchschnittlich 300 Brennstunden hat, wogegen eine gute Kohlenfadenlampe etwa 800 Stunden lang zu gebrauchen ist; sie wird von der A.E.G. in Lichtstärken von 25 bis 700 hergestellt und eignet sich infolge dieser großen Leuchtkraft und ihres ruhigen weißen Lichtes besonders für die Anwendung in den jetzt häufig bei öffentlichen Vorträgen benutzten Projektionsapparaten. Eine solche 700 Kerzenlampe verbraucht bei 110 Volt Spannung nur 4 Ampère Stromstärke, so daß ihr Energieverbrauch mit 110 × 4 = 440 Watt bestimmt ist, welche elektrische Arbeitsleistung einer mechanischen Arbeitsleistung von 440/736, also etwa gleich 3/5 Pferdekraft ist. Die Leistungsfähigkeit der Nernstlampe, die bei deren Auftreten großes Aufsehen in der elektrotechnischen Welt erregte, zugleich aber auch die Konkurrenz zu neuen Bestrebungen antrieb, wurde bald von anderen Lampeneinrichtungen nicht nur erreicht, sondern sogar bedeutend übertroffen.


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Revised 2003-11-16