Mutter Erde. Technik, Reisen und nützliche Naturbetrachtung in Haus und Familie. Verlag von W. Spemann, Berlin, 1899. Zweiter Band, S. 192 - 193 und S. 367 - 369


Die Nernst-Lampe.

[Von W. Nernst]

Während bei den gewöhnlichen elektrischen Glühlampen ein dünner, in einer luftleeren Glasbirne eingeschlossener Kohlenfaden durch den elektrischen Strom zum Erglühen gebracht wird, kommt bei der Nernstschen Glühlampe ein die Elektricität im allgemeinen nicht leitender Körper zur Anwendung. Neben dem großen wissenschaftlichen Interesse, das diese Glühlampe erregt, kommt auch noch die hohe wirtschaftliche Bedeutung dieser Lampe in Betracht, denn bei gleicher Lichtstärke ist der Stromverbrauch nicht ganz die Hälfte einer gewöhnlichen Kohlenfaden-Glühlampe und die Betriebskosten, auf gleiche Intensität berechnet, sind nicht wesentlich höher als die des Gasglühlichtes. Aus diesem Grunde halten wir es für angebracht, nach dem Vortrage, den Professor Dr. Nernst kürzlich hielt, eine Darstellung des Prinzips der "Nernst-Lampe" zu geben:

"Im Jahre 1877 ließ sich Jablochkoff eine elektrische Lampe patentieren, bei der Plättchen aus Kaolin und ähnlichen Substanzen durch die Funken einer Induktionsrolle erhitzt und hierauf durch den Strom der Rolle im Glühen erhalten wurden. Diese Lampe ist jedoch nie in Gebrauch gekommen und deshalb fast völlig vergessen worden.

Ohne von dem erwähnten Patent Kenntnis zu haben, wurde ich durch rein theoretische Erwägungen zu dem Schlusse geführt, daß mit Kohle oder anderen metallischen Leitern als Glühkörper elektrische Glühlampen von gutem Nutzeffekt nicht herzustellen sind, daß sie aber mit Leitern zweiter Klasse (elektrolytischen Leitern) prinzipiell möglich sein müssen. Es ist ja bekannt, daß jede Lichtquelle neben Lichtstrahlen auch Wärmestrahlen aussendet, welche letzteren jedoch nutzlos Energie verzehren (beim gewöhnlichen Glühlichte ca. 97 pCt., beim Bogenlichte ca. 90 pCt. der hineingesteckten Energie); je höher man die Temperatur der lichtspendenden Substanzen steigern kann, um so günstiger wird das Verhältnis von Licht zu Wärme. Aus praktischen Rücksichten wird man aber die Temperaturen der bisherigen elektrischen Lampen kaum erheblich steigern können und so ist auch auf eine erhebliche Vermehrung des Lichteffekts wenig Aussicht vorhanden.

Sehr viel weiter würde man natürlich kommen, wenn man als Glühkörper Substanzen verwenden könnte, die wenig Wärmestrahlen emittieren, bei denen also die hineingesteckte elektrische Energie möglichst vollständig als Licht erscheint. Daß unter den metallisch leitenden Materialien solche Substanzen nicht zu finden sein werden, scheint mir aus folgender Ueberlegung mit Sicherheit hervorzugehen. Alle undurchsichtigen Stoffe müssen nach einem von Kirchhoff entdeckten und völlig sicheren Naturgesetze viel mehr Wärmestrahlen als Lichtstrahlen aussenden, indem sie das sogenannte normale Spektrum eines schwarzen Körpers liefern; nach der ebenso vortrefflich begründeten elektromagnetischen Lichttheorie müssen andererseits die metallisch leitenden Stoffe undurchsichtig sein.

Eine gewisse Analogie zu unserem Problem bietet die Erzeugung des Lichts in den Gasflammen; so lange Kohlenteilchen, wie früher, ausschließlich die Träger der Lichtemission waren, hatte man stets durch strahlende Wärme empfindliche Verluste und ihr Ersatz durch Substanzen, die kein normales Spektrum liefern, insbesondere durch den Auerschen Strumpf, war daher ein enormer Fortschritt. Das Auerproblem hat mir auch die Anregung zu den Versuchen geboten, die schließlich zur Herstellung der neuen elektrischen Glühlampe führten.

Das Problem blieb aber noch immer bestehen: wie die elektrische Erhitzung von Magnesia und ähnlichen Oxyden möglich ist. Von Funkenbildung abgesehen, vermag selbst hochgespannte Elektricität solche Substanzen wegen ihrer hohen Isolierfähigkeit nicht zu durchdringen und zu erwärmen; "die Benutzung der Funken von großer Spannung, um Streifen von feuerfesten Körpern zur Weißglühhitze zu bringen", wie der Patentanspruch von Jablochkoff lautete, ist für die Praxis fast aussichtslos. Bekannt ist zwar, daß im geschmolzenen Zustande Oxyde und andere Elektrolyte sehr gut leiten, aber es ist ebenfalls aussichtslos, mit geschmolzenen Glühkörpern zu operieren. Aber durch Vorversuche gelang es mir, zu konstatieren, daß Gemische von Oxyden, z. B. von Magnesia und Porzellan, bei hohen Temperaturen überraschend gute Leiter werden.

Die Befürchtung lag dann weiter nahe, daß derselbe Strom, der den Elektrolyt in heller Weißglut erhält, alsbald ihn gleichzeitig durch seine chemische Einwirkung zerstört. Bei Anwendung von Wechselströmen fand ich die Elektrolyse zu geringfügig, um Störungen zu veranlassen, wie dies auch von vornherein zu erwarten war. Schließlich aber glückte es auch, die sehr viel stärkere elektrolysierende Wirkung des Gleichstromes praktisch unschädlich zu machen.

Damit aber sind wir immer noch nicht im stande, eine Lampe mit im kalten Zustande isolierenden Glühkörpern zu bauen, denn auch nach Stromschluß bleibt der Glühkörper als Isolator völlig kalt. Erwärmt man aber gleichzeitig den Glühkörper, so wird er ein wenig leitend, ein schwacher Strom durchfließt ihn, bringt ihn nunmehr auf immer höhere Temperatur, unser Glühkörper wird zu einem ausgezeichneten Leiter und bleibt es, so lange der Strom geschlossen ist. Zur Anregung des Glühkörpers ist also eine Vorwärmung erforderlich und wir konstruieren so durch Kombination eines elektrolytischen Glühkörpers mit einer stets paraten äußeren Wärmequelle eine gebrauchsfertige Lampe. Die völlige Unverbrennlichkeit der Oxyde macht das schützende Vakuum der gewöhnlichen Glühlampe entbehrlich.

Am einfachsten macht sich die Vorwärmung des Glühkörpers mit einem Streichholze. Man erhält so eine zwar billige, aber nicht sehr bequeme Lampe. Ein zweiter Weg besteht in der Kombination des Glühkörpers mit einem elektrischen Heizkörper, der auf geeignete Weise durch den Strom, welcher den Glühkörper durchfließt, ausgeschaltet wird; wir haben so die Automatlampe, die freilich ihr Licht erst 10 - 20 Sekunden nach Stromschluß zu spenden vermag.

Vielleicht könnte man meinen, daß nach den mitgeteilten Betrachtungen und auf Grund der vorgeführten Versuche alle Bedenken beseitigt seien und daß man nunmehr rüstig an die Fabrikation der Lampen gehen könne; ich selber muß gestehen, daß ich vor etwa einem Jahre ebenfalls dieser Meinung war. Ich wußte damals noch nicht, welche Hindernisse zu überwinden sind, ehe ein im Laboratorium leidlich funktionierender Apparat der allgemeinen Benutzung übergeben werden kann; und auch dann, wenn es gelungen ist, die weite Kluft zwischen dem Erfindungsgedanken und seiner wirklichen Ausführung oder, wie man sich in der Regel ausdrückt, zwischen Theorie und Praxis, zu überbrücken, hat man doch noch einen weiten, dornenvollen Weg von der Laboratoriumspraxis bis zur Praxis des täglichen Lebens zurückzulegen."

Prof. Dr. Walt[h]er Nernst.


Nernst's elektrische Glühlampe.

Wir haben über dieselbe nun schon wiederholt berichtet, ohne daß es uns gelungen wäre, unseren Lesern an Hand einer bildlichen Darstellung ihre Konstruktion und Wirkungsweise erläutern zu können. Wir sind nunmehr dazu in der Lage.

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Nach dem Vortrage des Dr. Nernst, Göttingen, Seite 192, Bd. 2, über die von ihm erfundene Glühlampe beruht dieselbe darauf, daß gewisse Oxyde (z. B. Magnesia in vorläufig noch geheim gehaltenen Mischungen mit feuerfestem Thon und dem vom Gasglühstrumpfe her bekannten Thor- und Ceroxyd) in kaltem Zustande die Elektricität nicht leiten und nicht erglühen, wohl aber im erhitzten Zustande, wobei die völlige Unverbrennlichkeit des Glühkörpers den schützenden luftleeren Raum der gewöhnlichen Glühlampe mit Kohlenfaden - die seinerzeit auf der Pariser Ausstellung Epoche machende Erfindung von Edison - entbehrlich macht. In einfachster Weise geschieht die Erwärmung des Nernst'schen Leuchtkörpers mit einem brennenden Streichholz; man erhält zwar so eine billige, aber nicht sehr bequeme Lampe. Nebenstehende Skizze zeigt eine derartige einfache Lampe, die in ihrer äußeren Gestalt einer 10 cm langen Stearinkerze ähnlich sieht, jedoch beim Glühen des Fadens a die 25 fache Lichtmenge ausstrahlt. Das Glühstäbchen a ist an feinen Platindrähtchen c befestigt, diese an Kupferdrähte b angelötet, die aus Oeffnungen des Mattglaskörpers g herausragen. Die Kupferdrähte b stehen mit den messingnen, durch den Thonkörper f isolierten Kontakten e in Verbindung. Die Dicke und Länge des Stäbchens a ist der Spannung angepaßt, wie sie in den städtischen Centralen üblich ist. Beispielsweise muß für 220 Volt Spannung das Stäbchen etwa ¼ mm dick und 17 mm lang sein, um eine Beleuchtung von 25 Kerzen zu liefern. Diese Lampe läßt sich übrigens wie eine Kerze ausblasen. Durch einen kräftigen Luftstrom wird das Stäbchen soweit abgekühlt, daß es zum Isolator wird und so lange keinen Strom mehr leitet, bis wieder eine äußere Erhitzung auf Rotglut stattfindet. Ist der Glühkörper a zum Schutze gegen Bruch mit einer Glasglocke umgeben, so wird er durch eine an der untersten Stelle der Glocke angebrachte Oeffnung mit einem Spirituszünder erhitzt. Solche Lampen sind für viele Zwecke ausreichend und sehr billig, gestatten den Leuchtkörper, wenn er versagt, einfach gegen einen neuen auszuwechseln unter Wiederbenutzung von Sockel und Glocke, aber die Lampen können nicht immer so bequem angebracht werden, daß das Anzünden von außen möglich ist, und das Anregen mit einer Flamme ist etwas umständlich.

Am vorteilhaftesten sind die Lampen mit selbständiger Zündung sowohl mit feststehendem, als auch mit beweglichem Leuchtkörper, bei denen der elektrische Strom einen feinen, auf ein Porzellanröhrchen gewickelten Platindraht, dicht bei dem Leuchtkörper a angebracht, ins Glühen versetzt und dadurch den letzteren so weit erhitzt (etwa auf 700 Grad C.), bis er genügend leitend ist und durch den nun hindurchgehenden Strom im Nu auf blendende Weißglut gebracht wird. Mit dem Leuchtkörper ist ein Elektromagnet in Reihe geschaltet, der, sobald er durch den Strom des Leuchtkörpers a magnetisiert wird, durch Anziehen seines Ankers den Stromkreis des Heizkörpers öffnet. Der ganze Mechanismus kann im Lampensockel selbst angebracht werden. Der Anschaffungspreis einer solchen Lampe erhöht sich allerdings gegen eine solche ohne Selbstzündung durch den selbstthätigen, elektromagnetischen Ausschalter und durch den Heizkörper. Für jenen ist die gleiche Gebrauchsdauer wie für eine Lampenfassung anzunehmen, für letzteren läßt sich eine Gebrauchsdauer nicht garantieren, hat jedoch nach dem Unbrauchbarwerden noch etwa zwei Drittel seines Wertes.

Die von der Stromzufuhr abhängige Lebensdauer kann an 300 Stunden betragen, wenn die Spannungsschwankungen das normale Maß nicht übersteigen. Der Energieverbrauch ist zur Zeit auf 1½ - 1¾ Watt für eine Kerze festgesetzt, also etwa nur die Hälfte des Verbrauchs der bisher üblichen Vakuumglühlampen, und werden die Lampen zunächst für 25, 50 und 100 Kerzen und für Spannungen von 110 und 220 Volt fabrikmäßig hergestellt werden. Sie können mit Wechselstrom und Gleichstrom betrieben werden. Daß bei Gleichstrom in dem Glühkörper a wie in jedem Leiter zweiter Klasse eine elektrolytische Zersetzung, also z. B. Ausscheidung von metallischem Magnesium am kathodischen Platindrähtchen, Sauerstoffentwicklung am anodischen, stattfindet, ist zweifellos, aber sie läßt sich nicht beobachten, weil die Lampe in freier Luft brennt, worin glühendes Magnesium augenblicklich wieder in Magnesia verwandelt würde. Daß nun auch keine merkliche Anhäufung von Magnesia an dem einen Drähtchen stattfindet, sondern das Stäbchen seine ursprünglichen Mischungsverhältnisse bewahrt, erklärt Professor Nernst durch die Rückwärtsdiffusion, die naturgemäß bei den ungeheuren Temperaturen viel lebhafter verläuft, als es in kalten oder nur rotglühenden Elektrolyten beobachtet werden kann.

Das Licht, welches solche Lampen ausstrahlen, ist der Farbe nach dem Tageslicht sehr ähnlich, zeigt allerdings nicht die warmen gelben Farbentöne des Kohlenglühlichts, ist dafür aber ebenso frei vom Violett der Bogenlampe und dem Grün der Auerlampe. Nach Generaldirektor Rathenau wird sich die Nernstlampe an die Stelle des Glühlichtes und des Bogenlichtes setzen. Ihr Platz wird in der Mitte zwischen beiden sein, und sie wird sich zum Kohlenglühlicht etwa so verhalten, wie die Auerlampe zum alten Gaslicht. Wir stehen, wie damals in Paris, an der Wiege einer neuen Beleuchtungsart, welche berufen sein dürfte, nicht länger Vorrecht der Begüterten zu sein, sondern auch in die Hütten und Werkstätten Minderbegüterter einzudringen und den Wettbewerb mit untergeordneten Beleuchtungsmitteln auch in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgreich zu bestehen. Besonderes Verdienst, die Lampe für den praktischen Gebrauch dienstbar zu machen, gebührt dem Oberingenieur der Allg. Elektricitätsgesellschaft Bußmann in Gemeinschaft mit Dr. Ochs und Dr. Salomon.

Die Fabrikation ist bereits im kleinen Maßstabe begonnen und wird noch im Laufe des Sommers in einem neuen Fabrikgebäude auch im großen aufgenommen werden. Der Patentanspruch von Nernst lautet, wie bereits mitgeteilt, auf ein Verfahren zur Erzeugung von elektrischem Licht mittels Stäbchen, Röhrchen oder dgl. aus solchen Leitungen zweiter Klasse, welche die Eigenschaft haben, bei gewöhnlicher Temperatur fast völlig zu isolieren, bei hoher Temperatur aber gut zu leiten, dadurch gekennzeichnet, daß man den Durchgang eines Stromes durch eine Vorwärmung des Leuchtkörpers in seiner ganzen Ausdehnung durch eine vom Leuchtkörper und seinen Elektroden getrennte Heizvorrichtung einleitet und alsdann den Leiter durch den Strom glühend und leuchtend macht. Die Allg. Elektricitätsgesellschaft, welche die in allen Staaten zum Patent angemeldete Erfindung für Europa, einschließlich Großbritannien und Irland, aber ausschließlich Oesterreich-Ungarn, Italien und der Balkanstaaten erworben hat, hat bereits 14 deutsche und 100 außerdeutsche Patente angemeldet.


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Revised 2003-02-11