Excerpt from: L. Graetz: Die Elektrizität und ihre Anwendungen. Verlag von J. Engelhorn, Stuttgart. 15. Aufl., 1910. 690 pp.


[pp. 485 - 488]

Der eine Gedanke bestand darin, auch das elektrische Glühlicht gerade so zu verbessern, wie Auer das Gaslicht verbessert hatte, indem man statt der glühenden Kohle, die ja sowohl beim elektrischen Licht wie bei dem gewöhnlichen Gaslicht das Leuchtende ist, die weißglühenden Erden, mit denen die Glühstrümpfe imprägniert sind, auch bei der Elektrizität als Leuchtköper benutzt. Diese Stoffe sind feuerbeständig und können eine viel höhere Temperatur als die Kohle annehmen und dadurch ein intensives und ökonomisches Licht ausstrahlen. Aber zum Unglück sind diese Substanzen, wie z. B. Magnesiumoxyd, in kaltem Zustand elektrische Nichtleiter. Erst bei sehr hohen Temperaturen, bei Rotglut, werden sie gute Leiter der Elektrizität und zwar namentlich dann, wenn man nicht eine einzige reine Substanz, sondern ein Gemisch mehrerer derartiger Substanzen anwendet. Aber gerade die hohe Temperatur, bei der sie erst leitend werden, macht ihre direkte Anwendung zu Beleuchtungszwecken schwierig, da ein Stäbchen aus solcher Substanz nicht von selbst durch den Strom glühend wird, weil es eben zunächst keinen Strom durchläßt, sondern erst vorher erwärmt werden muß, um überhaupt zu leiten.

Fig. 454.
Fig. 454.

Diese und andere technische Schwierigkeiten so zu überwinden, daß eine brauchbare und bequeme Glühlampe mit derartigen Körpern hergestellt werden konnte, war keine leichte Aufgabe und erforderte jahrelange Arbeit seitens des Erfinders dieser Lampen, Professor Nernst in Verbindung mit der A.E.G. Jetzt aber sind diese Nernstlampen im Handel und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Lampe enthält ein Stäbchen aus Magnesia mit Beimengungen anderer Erden. Wenn man ein solches erst vorerwärmt hat, auf Rotglut, d. h. bis auf 600 bis 800° C., und dann den elektrischen Strom hindurchsendet, so leuchtet es hell weiß und verbraucht für die gleiche Lichtstärke nur etwa die Hälfte der Watt, wie eine gewöhnliche Glühlampe. Die Vorerwärmung geschieht automatisch durch eine um das Stäbchen gewundene Heizspirale. Außer dem Magnesiastäbchen, dem eigentlichen Brenner, und der Heizspirale besitzt die Lampe noch einen Vorschaltwiderstand und einen kleinen Elektromagneten, welch letzterer dazu dient, den Strom zuerst durch die Heizspirale und dann bloß durch den Brenner zu senden. Die Einrichtung einer solchen Nernstlampe mit selbsttätiger Entzündung zeigt Fig. 454. Das Stäbchen AB ist der eigentliche Leuchtkörper aus Magnesia. Um diesen ist in einigen Windungen ein auf Asbest aufgewundener Heizdraht CD gelegt, welcher zunächst von dem Strom zum Rotglühen gebracht wird und dadurch das Stäbchen  AB erwärmt. Es geht nämlich der Strom beim Einschalten der Lampe von der +Klemme über H nach dem Platindraht CD und dann zur -Klemme. Zugleich könnte der Strom auch von der +Klemme über den kleinen Elektromagneten M und den Vorschaltwiderstand W zu dem Stäbchen AB gehen. Dieses ist aber eben in kaltem Zustand ein Nichtleiter. Die Platindrahtspirale erhitzt nun allmählich in ¼ bis ½ Minute durch Strahlung den Magnesiafaden und dadurch geht nun wirklich der Strom in immer größerer Stärke durch MWAB zur -Klemme und befördert durch seine Joulesche Wärme die Erhitzung desselben und infolgedessen auch seine Leitungsfähigkeit. Sowie dieser Strom eine passende Stärke erreicht hat, wird der Magnet M auch stark genug, seinen Anker H anzuziehen. Dadurch ist aber der Strom in der Platinspirale unterbrochen und der ganze Strom geht nun durch das Stäbchen AB und bringt dieses zum hellen Weißglühen. Der Vorschaltwiderstand besteht aus einem dünnen Eisendraht, der in eine Glasröhre eingeschlossen und in dieser von Wasserstoff umgeben ist. Ohne einen solchen Vorschaltwiderstand würde sich die Temperatur des Heizkörpers und damit die durchgehende Stromstärke so steigern, daß der Brenner durchschmilzt. Der Draht W aber aus Eisen erlangt bei höherer Temperatur, namentlich bei Rotglut, von selbst größeren Widerstand, der die Widerstandsabnahme des Brenners so kompensiert, daß die durchgehende Stromstärke nahezu unverändert bleibt, auch wenn die Spannung des Stromes Schwankungen erfährt. Das Licht der Nernstlampe ist sehr glänzend weiß; es übertrifft an Glanz und Weiße das Auerlicht. Die Lampen (Modell B) sind, wie die Fig. 455 zeigt, mit einer übergeschobenen Kugelglocke versehen und tragen am Fuß das Edisongewinde, mit welchem sie in die gewöhnlichen Glühlampenfassungen eingeschraubt werden. Andere Lampen (Modell A), bei denen Stäbchen und Spirale vertikal stehen, werden für größere Lichtstärken gebraucht und sind zum Aufhängen eingerichtet. Bei beiden Lampen sind die einzelnen Teile, Sockel, Vorschaltwiderstand, Brenner und Glocke, so eingerichtet, daß sie nur einfach ineinander gesteckt zu werden brauchen. Die Lampen können für alle Lichtstärken von 16 bis 250 Hefnerkerzen hergestellt werden. Der Stromverbrauch beträgt bei diesen Lampen nur etwa 1,5 bis 1,7 Watt pro Kerzenstärke, während eine gewöhnliche Glühlampe etwa das Doppelte, nämlich 3,2 bis 3,5 Watt pro Kerze verbraucht.

Fig. 455.
Fig. 455.

Die Nernstlampen sind nicht so haltbar, wie die gewöhnlichen Glühlampen. Durchschnittlich nach 300 Brennstunden muß der Glühkörper ersetzt werden, auch nehmen die Lampen schon vorher während des Gebrauches an Leuchtkraft erheblich ab. Da aber die Lampen nicht luftleere Gefäße haben, wie die Glühlampen mit Kohlenfäden, so kann man bei ihnen den Brenner leicht ersetzen. Trotzdem muß man bei den Nernstlampen für Ersatzkosten pro Jahr bedeutend mehr als bei den gewöhnlichen Lampen rechnen. Das langsame Anzünden, die kurze Lebensdauer, die Empfindlichkeit gegen Spannungsveränderungen, der hohe Preis sind allerdings schwerwiegende Nachteile dieser Lampe, denen aber als Vorteil die wesentliche Ersparnis an Stromkosten und die Schönheit des Lichtes gegenüberstehen. Um die Unbequemlichkeit des langsamen Angehens der Lampe weniger fühlbar zu machen, werden sogenannte Nernst-Expreßlampen in den Handel gebracht. Dieselben enthalten außer der Nernstlampe noch eine oder mehrere gewöhnliche Glühlampen, welche durch den Heizstrom betrieben werden, also sofort bei der Einschaltung der Lampe leuchten und, sobald der Heizstrom durch das Glühen des Nernstkörpers sich ausschaltet, auch selbsttätig ausgeschaltet werden. Für viele Zwecke, für Straßenbeleuchtung, sowie für die Beleuchtung von Restaurationen, Sälen u. s. w. hat das Nernstlicht sich als nützlich, nicht im Gegensatz, sondern im Verein mit dem gewöhnlichen Glühlicht erwiesen. Einen besonderen Vorzug hat die Nernstlampe in denjenigen Städten, in denen die Spannung nicht 110 Volt, sondern 220 Volt beträgt. Während nämlich gewöhnliche Glühlampen für 220 Volt nicht gut konstruiert werden, brennen Nernstlampen sogar sehr vorteilhaft bei 220 Volt Spannung.

Das helle weiße Licht der Nernstlampen macht sie auch sehr geeignet für Zwecke der Projektion von Bildern und Apparaten, für die man sonst in sehr viel umständlicherer Weise nur Bogenlampen benutzen konnte. Die A.E.G. stellt Nernst-Projektionslampen her, wie sie Fig. 456 zeigt. Dieselben enthalten drei Brenner, welche von einer gemeinschaftlichen Heizspirale erwärmt werden. Die Vorschaltwiderstände aus Eisen befinden sich in drei Glasröhren hinten an der Lampe. Ein gemeinsamer Magnet schaltet die Heizspirale aus, sobald die Stäbchen in Weißglut gekommen sind. Die Lampen brauchen 4 Ampere und geben bei 110 Volt Spannung 700 Kerzen Stärke, bei 220 Volt das Doppelte.

Fig. 456.
Fig. 456.


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Revised 2003-12-25