Elektrotechnische Zeitschrift. 20(20):355 - 356, 1899 (18. Mai 1899)


Die Nernst'sche Glühlampe.

Am 9. ds. Mts. [1899-05-09] hielt Herr Prof. Dr. W. Nernst im Sitzungssaale der Berliner Elektricitätswerke, Luisenstrasse 25, einen Vortrag über die von ihm erfundene Glühlampe. Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft hatte zu dieser ersten öffentlichen Vorführung der Nernst'schen Lampe zahlreiche Einladungen ergehen lassen, und, dem Interessen entsprechend, das die Oeffentlichkeit seit mehr als einem Jahre dieser Erfindung entgegenbringt, hatten sich die ersten Vertreter der Elektrotechnik, der physikalischen Wissenschaften und viele sonstige Interessenten eingefunden. Die Vorführung der Lampe wurde eingeleitet durch einige Bemerkungen von Herrn Generaldirektor Rathenau über die wirthschaftliche Bedeutung der Nernst'schen Lampe, die berufen scheine, die elektrische Beleuchtung, die bisher nur den Wohlhabenden zugänglich gewesen sei, zu popularisiren. Von Wichtigkeit sei nicht nur, dass die Lampe verhältnissmässig nur etwa halb so viel Energie verzehre als die gebräuchliche Glühlampe, sondern auch, dass sie ohne Weiteres höheren Spannungen angepasst werden könne als diese. Beide Umstände ermöglichen eine viel bessere Ausnutzung der Kabel- und Maschinenanlagen, als es die bisherigen Glühlampen gestatteten, und dadurch eine erhebliche Verbilligung der elektrischen Beleuchtung.

Herr Prof. Nernst erläuterte dann die physikalischen Verhältnisse der neuen Lampe. An der Hand einer graphischen Darstellung der Energiekurve für Kohle erinnerte er daran, dass die von dem glühenden Kohlenfaden ausgesandten Strahlen der Mehrzahl nach von grösserer Wellenlänge seien als das Licht; in das Gebiet der leuchtenden Strahlen fallen nur 3% der ausgestrahlten Energiemenge, während die übrigen 97% als Wärmestrahlen für die Zwecke der Beleuchtung verloren gehen. Theoretisch wäre es möglich, ein besseres Resultat durch Erhöhung der Temperatur zu erzielen, indem die Energiekurve dann mehr nach dem Gebiet der Strahlen kürzerer Wellen verschoben wird. Praktisch wäre dieser Weg jedoch nicht gangbar, da der dünne Kohlenfaden der üblichen Glühlampen eine Erhöhung der Temperatur nicht vertrage. Auch bei den metallischen Leitern scheinen Bemühungen in dieser Hinsicht von vornherein aussichtslos. Anders dagegen bei den feuerbeständigen Stoffen, wie sie z. B. in dem Auer'schen Gasglühlicht verwendet werden. Der Vortragende habe sich das Ziel gestellt, unter den für eine gute Lichtausbeute in Betracht kommenden Stoffen solche ausfindig zu machen, die durch den elektrischen Strom leicht auf eine hohe Temperatur gebracht und auf derselben erhalten werden können. Hierfür geeignet erschien Magnesiumoxyd, das als Leiter zweiter Klasse bei hoher Temperatur ein relativ gutes Leitvermögen hat. Die Versuche hätten sofort die Vermuthung bestätigt; es genügte, das in einen Wechselstromkreis eingeschaltete Magnesiastäbchen mittels einer Flamme bis zur Rothgluth zu erwärmen, um es so weit leitend zu machen, dass der alsdann fliessende Strom die weitere Erwärmung bis auf vollständiges Weissglühen allein besorgt. In diesem Zustande sendet das Stäbchen ein blendend weisses, vollkommen ruhiges und gleichmässiges Licht aus. Die Intensitäten der im Nernst'schen Lichte enthaltenen Lichtstrahlen verschiedener Wellenlänge sind augenscheinlich nahezu gleich gross, da das ausgestrahlte Licht in seiner Zusammensetzung ziemlich nahe mit dem Sonnenlicht übereinstimmt.

Da die Leiter zweiter Klasse wie die verwendete Magnesia von einem Gleichstrom elektrolytisch zersetzt werden, verwendete Professor Nernst Anfangs ausschliesslich Wechselstrom. Später beim Versuch zeigte es sich indessen, dass auch Gleichstrom ohne Weiteres benutzt werden kann, ohne dass eine wahrnehmbare Elektrolyse stattfindet. Nach den Helmholtz'schen Untersuchungen über Depolarisation und Restströme müsse dies darauf beruhen, dass der Sauerstoff der umgebenden Luft als Depolarisator wirke, so dass die thatsächlich vorhandene Elektrolyse nicht in die Erscheinung trete.

Die wesentlichste Schwierigkeit, die zu überwinden war, um diese Erfindung praktisch zu verwerthen, bestand darin, dass der Leuchtkörper in kaltem Zustande ein Isolator ist, so dass es erforderlich ist, ihn zu erwärmen, um ihn elektrisch leitend zu machen. Diese Vorerwärmung kann bei kleineren Stäbchen mittels eines Streichhölzchens erfolgen; bei grösseren Stäbchen bedarf man einer grösseren Wärmequelle, z. B. einer Spiritusflamme. Um diese Unbequemlichkeit zu beseitigen, waren die Bestrebungen zur praktischen Gestaltung der Lampe, an denen sich ausser Prof. Nernst und der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft auch die Firma Ganz & Co. in Budapest betheiligt hat, besonders darauf zu richtet, eine selbstthätige Vorrichtung zu schaffen, die das Vorwärmen ohne Weiteres besorgt, sobald die Lampe eingeschaltet wird. Zur Zeit liegen zwei verschiedene, anscheinend praktisch brauchbare Vorwärmer vor, die, nachdem Herr Professor Nernst seinen Vortrag beendigt hatte, von Herrn Dr. Ochs in ihren Einzelheiten erläutert wurden. Die eine, von Nernst selbst angegebene Konstruktion besteht aus einer parabolisch-cylindrischen Glocke, an deren Innenseite eine Anzahl von Windungen feinen Platindrahtes befestigt ist, während der Glühkörper selbst frei in der Mitte der Glocke hängt. Der Platindraht liegt parallel zum Glühkörper in dem Stromkreise. Beim Einschalten der Lampe geht der Strom zunächst durch den Platindraht, der schwach rothglühend wird. Die ausgestrahlte Wärme koncentriert sich auf den im Brennpunkt der Glocke befindlichen Glühkörper, der im Laufe von 10 bis 40 Sekunden genügend erwärmt wird. Sobald ein starker Strom durch den Glühkörper fliesst, zieht ein in Serie mit diesem eingeschaltetes Solenoid seinen Kern, der mit der Glocke verbunden ist, nach oben, wodurch erstens die Platindrahtverbindungen ausgeschaltet werden und zweitens die Glocke vollständig von dem Glühkörper entfernt wird, der sein Licht dann frei nach allen Seiten ausstrahlen kann. Bei der zweiten Vorrichtung ist die Glocke ersetzt durch einen kleinen von Herrn Dr. Ochs konstruierten Heizkörper, der direkt unter dem Leuchtkörper angebracht ist und aus einem kleinen Porzellancylinder mit einer grösseren Anzahl von feinen Platindrahtwindungen besteht. Dieser Heizkörper behält auch nach der Entzündung seine Lage bei, wird aber in gleicher Weise wie der obige ausgeschaltet, sobald der Leuchtkörper genügend vorgewärmt ist.

Die Nernst'schen Lampen werden vorläufig in den Grössen von 25 HK, 50 HK, 100 HK und sowohl für 110 als für 220 V hergestellt. Die neueste Gestaltung der Lampe weicht äusserlich kaum von der der üblichen Glühlampen ab, sodass man unter Beibehaltung der vorhandenen Fassungen ohne Weiteres zur Verwendung von Nernst-Lampen übergehen kann. Die Brenndauer einer solchen Lampe wurde zu ungefähr 300 Stunden angegeben; nach dieser Zeit muss das Magnesiastäbchen erneuert werden, das allmählich ein krystallinisches Gefüge annimmt und brüchig wird. Die sämmtlichen anderen Theile der Lampe sind indessen weiter verwendbar. Da somit die Erneuerungskosten nur gering sind, stellen sich trotz der etwas höheren ersten Anschaffungskosten die Unterhaltungskosten für diese Lampen auf die Dauer ungefähr auf den gleichen Betrag, wie für Glühlampen, während die Betriebskosten entsprechend der grösseren Oekonomie geringer ausfallen. Ueber den Stromverbrauch wurde mitgetheilt, dass , während 1 PS bei gewöhnlichen Glühlampen etwa 240 HK liefert, man bei den Nernst-Lampen auf 480 HK käme.


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Revised 2005-01-21