Das Institut

für

Physikalische Chemie

und besonders

Elektrochemie

an der Universität Göttingen.

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Festschrift

zur Einweihungsfeier am 2. Juni 1896

von

W. Nernst,

Direktor des Instituts,
o. Professor a. d. Universität Göttingen.

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Halle a. S.

Verlag von Wilhelm Knapp.

1896.


Das im Nachstehenden beschriebene Institut ist das erste, das an einer deutschen Universität als lediglich den Zielen der physikalischen Chemie im allgemeinen und der Elektrochemie im besonderen dienend eröffnet wird.

Daraus entnehme ich den Anlass, über seine Entstehung, Räumlichkeiten, Einrichtung und Ziele kurz zu berichten.

Vielen Dank schulde ich Herrn W. Knapp, der mit grossem Entgegenkommen und mit viel Liberalität die Herausgabe und Ausstattung dieser kleinen Festschrift besorgt hat.

W. N.


Inhalt.

Entstehung des Instituts 1
Beschreibung der Räumlichkeiten 5
Innere Einrichtung 13
Ziele des Instituts 21

Entstehung des Instituts.

Dank der wohlwollenden Unterstützung des preussischen Ministeriums und dem grossen Entgegenkommen des Direktors des physikalischen Instituts an der Universität Göttingen, das Herrn Professors Riecke, durfte ich bereits Oktober 1891 im obigen Institut eine kleine Abteilung für physikalische Chemie einrichten. Im November 1894 wurde der Plan zur Begründung eines eigenen grösseren Instituts für physikalische Chemie und besonders Elektrochemie erörtert und noch vor Ablauf des Jahres durfte das Projekt dank dem thatkräftigen Eingreifen der hohen preussischen Regierung, insbesondere der Fürsorge der hohen Staatsminister für Unterricht und Finanzen, der Herren Excellenz Bosse und Exzellenz Miquel, der warmen Fürsprache des vortragenden Rats im Kultusministerium, Herrn Geheimen Oberregierungsrats Dr. Althoff und des Kurators unserer Universität, Herrn Geheimen Oberregierungsrats Dr. Höpfner, und dank dem warmen Eintreten der nächstbeteiligten Fachgenossen unserer Hochschule, besonders der Herren Professoren Klein, Riecke, Wallach, als gesichert gelten. Auch der Vorstand der deutschen elektrochemischen Gesellschaft, neben Herrn Professor Ostwald besonders der Landtagsabgeordnete Herr Direktor H. T. Böttinger verfolgten das Projekt mit reger Teilnahme.

Bald darauf wurde das Bürgerstr. 50 in unmittelbarer Nähe des chemischen Instituts belegene, 1 1/3 Morgen grosse v. Warnstedt'sche Grundstück, das ein grosses, solid gebautes massives Wohnhaus und ein kleineres Nebengebäude enthielt, von der Regierung angekauft, so dass bereits Ostern 1895 in einigen provisorisch hergerichteten Räumen mit dem Betriebe des Instituts begonnen werden konnte. Im Laufe des gleichen Jahres wurde an das vorhandene, wesentlich umgeänderte Wohnhaus der grössere südliche und der kleinere westliche Anbau (siehe folgenden Abschnitt) errichtet und bei der regen Mitwirkung der Herren Geheimen Oberregierungsrat Naumann und Geheimen Baurat Hinckeldeyn in Berlin, des Herrn Geheimen Baurats Hellwig in Hildesheim und unter der speziellen Aufsicht unseres Universitätsarchitekten Herrn Baurats Breymann so schnell fertig gestellt, dass die neuen Räume teilweise noch im gleichen Jahre in Benutzung genommen werden konnten; ich darf nicht unterlassen, auch hier dankbar zu erwähnen, dass die Herren bei der Ausarbeitung wie Ausführung der Baupläne allen meinen Wünschen bereitwilligst Rechnung zu tragen sich bemühten.

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Die Kosten des Instituts betragen:

Kaufpreis von Wohnhaus und Grundstück 63,000 Mk.
Anbauten und Adaptierung 42,000 ,,
Innere Einrichtung 60,000 ,,
Summe 165,000 Mk.

Die für die innere Einrichtung ausgeworfene Summe ist auf drei jährliche Raten à 20,000 Mk. verteilt; ich glaube, dass man bei Beschaffung von wissenschaftlichen Apparaten in grösserer Anzahl immer allmählich vorgehen sollte, sowohl im Interesse des Instituts, das sich doch in die gesteigerten Bedürfnisse gleichsam hineinzuwachsen hat, wie des Direktors, der die mit der rationellen Verwendung derartiger Summen verbundene Arbeitslast nicht auf eine zu kurze Zeit verteilen sollte.

Die obigen Mittel erwiesen sich für die zunächst verfolgten Zwecke durchaus zureichend; übrigens wird man finden, dass sie im Vergleich mit anderen grösseren Instituten klein *) zu nennen sind, besonders wenn man bedenkt, dass hier die innere Einrichtung nicht wie bei Neubauten nur ergänzt, sondern völlig neu beschafft werden musste.

In diesem Sommersemester arbeiten im Institut ausser dem Direktor und seinen beiden Assistenten, Herrn Privatdozent Dr. Lorenz und Herrn Dr. Roloff, zwei Privatdozenten, die Herren Dr. Abegg und Dr. Des Coudres, und ferner ca. 30 Praktikanten, von welch letzteren der grössere Teil mit eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt ist. - Die Wartung des Instituts liegt dem Mechaniker des Instituts ob.

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*) So kostete beim physikalischen Institut in München Bauplatz und Bausumme 370,000, innere Einrichtung 150,000 Mk.; vgl. Festrede von Prof. Lommel, Akad. verlag 1895; das physikalische Institut zu Erlangen kostete  211,500 Mk. (nach freundl. brieflicher Mitteilung von Herrn Prof. E. Wiedemann); das neue chemische und elektrochemische Institut zu Darmstadt kostete excl. Bauplatz 419,000 Mk.; vgl. Festschrift, Darmstadt 1895; für das neue physikalisch-chemische Institut an der Universität Leipzig sind (nach freundl. mündlicher Mitteilung von Herrn Prof. Ostwald) excl. Bauplatz 360,000 Mk. ausgeworfen.

Beschreibung der Räumlichkeiten.

Die Gesamtansicht liefert umstehendes Bild. In der Mitte sieht man das alte Gebäude, an welches sich links ein grösserer südlicher Anbau anschliesst, der ausschliesslich Institutszwecken dient, während rechts fast verdeckt ein kleiner westlicher Anbau sich befindet, der den Aufgang zur Dienstwohnung vermittelt und noch ein Institutszimmer enthält.

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Gesamtansicht des Instituts für physikalische Chemie an der Universität Göttingen.

Von Osten gesehen giebt die nachfolgende Skizze einen guten Überblick über das grosse, alte Haus, den daran sich anschliessenden Verbindungsgang und den kleineren, im gleichen Stile wie das Hauptgebäude gehaltenen Nebenbau.

Zum Erdgeschoss des Instituts führt eine Freitreppe durch einen geraden, gleichzeitig als Garderobe dienenden Korridor in den grossen Saal I (100 Quadratmeter; vgl. Grundriss I S. 8), der zur Abhaltung der physikalisch-chemischen Übungen dient, gleichzeitig aber auch als grosses Auditorium für einen gelegentlichen Zweck (Kongress oder dergl.) und auch zur Ausführung von Versuchen dienen kann, die einen grossen Raum erfordern. An den Saal vom Korridor aus zugänglich schliesst sich ein für chemische Arbeiten bestimmtes Zimmer II an, von dem aus man durch ein kleines Vorbereitungszimmer III in das Auditorium IV gelangt, das auch direkt vom Korridor aus zugänglich ist. V dient als Bibliothek und Wagezimmer, VI ist ein kleiner Raum für spezielle Untersuchungen, VII ist die Werkstatt. Dadurch, dass letztere in unmittelbarer Nähe des Einganges sich befindet, ist es möglich, dass der Mechaniker das Institut stets verschlossen hält, ohne durch Abfertigung der Ankommenden gar zu viel zeit zu verlieren. Alle, die im Institute ein- und ausgehen, Dozenten, Praktikanten etc., erhalten einen Schlüssel. Die Zimmer VIII und IX dienen für spezielle Untersuchungen. In IX befindet sich, wie der Grundriss I zeigt, eine vorspringende Wand, die den kleinen Raum X abschliesst; dieser kann durch einen dichten, doppelten Tuchvorhang fast absolut lichtdicht verschlossen werden und dient daher zu spektralanalytischen und polaristrobometrischen Messungen, zum Entwickeln photographischer Platten u. dergl. Schliesst man obendrein die an den beiden Fenstern von IX befindlichen Vorhänge (s. u.), so wird eine absolute Verdunkelung des Raumes X erzielt. XI, XII und XIII sind die Arbeitszimmer des Direktors. Hinter XI befindet sich ein kleiner Verschlag a, der zur Aufbewahrung der kostbareren Glasapparate dient. Es bewährt sich, dass man zu diesem Raume nur durch das Zimmer des Direktors gelangen kann.

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Grundriss I.
1 : 300.

Von dem Korridore führt eine Treppe direkt in den Maschinenraum 1 (Grundriss II); derselbe enthält Gasmotor nebst Dynamo, die durch ein Eisengitter abgesperrt sind; dei Anlage soll später noch vergrössert werden. An den Maschinenraum stossen die zwei grösseren Zimmer 2 und 3 und die kleineren 4, 5, 6, 7 an. Diese Zimmer sind erheblich höher und demgemäss luftiger als die übrigen bereits verhältnismässig hohen Kellerräume und dienen besonders für spezielle physikalisch-chemische und elektrochemische Untersuchungen; auch können in ihnen, da sie weit von der Strasse entfernt und deshalb absolut ruhig sind, die feinsten physikalischen Untersuchungen ausgeführt werden. Von dem Maschinenraume gelangt man in ein zweites Zimmer für chemische Arbeiten 8, an welches der Akkumulatorenraum 9 anstösst. 10 ist ein erheblich tiefer als die anderen liegender und mit doppelter Decke versehener Kellerraum; da derselbe überdies rings von Kellerräumen umgeben ist, so zeigt er eine sehr bemerkenswerte Konstanz der Temperatur und dient deshalb zum Arbeiten mit Apparaten, die in einem Thermostaten nicht gut unterzubringen sind. 11, durch ein Holzgitter vom Gebläsezimmer 12 geschieden, enthält die chemische Sammlung. 13 ist ein Raum für gröbere chemische Arbeiten; 14, 15 und 16 sind die Keller für Kohlen etc. 16 und 13 haben direkte Zugänge, so dass durch den Kohlentransport keine Störungen entstehen können; 13 dient aus dem gleichen Grunde gleichzeitig als Packraum. Die Aborte sind in einem Nebengebäude untergebracht.

Die Dienstwohnung des Direktors hat einen eigenen Zugang durch die rechts befindliche, in einem kleinen westlichen Anbau untergebrachte Treppe (Grundriss I) und ist in der ersten Etage des alten Hauses untergebracht, auch gehören dazu die nicht numerierten Kellerräume. Die einzige Verbindung, die Institut und Wohnung besitzen, ist eine von dem Korridor der Wohnung nach XII führende Thür. Das Dach des Verbindungsganges ist von der Dienstwohnung direkt zugänglich und bildet einen stattlichen Altan. Die Wohnung des Mechanikers befindet sich in einem kleinen Nebengebäude.

Nach dem Urteile Sachverständiger scheint es in der That gelungen zu sein, die Neubauten derartig mit dem alten Bau organisch zu verbinden, dass das Ganze gleichsam aus einem Guss entstanden zu sein scheint.

Innere Einrichtung.

Bei der Einrichtung der Räumlichkeiten und der Beschaffung der Apparate musste der Gesichtspunkt massgebend sein, dass im Institute für alle wichtigeren Arbeiten, die der Physiker und der Chemiker auszuführen hat, Vorsorge zu treffen war; denn die physikalische Chemie entlehnt ihre experimentellen Methoden sowohl der Physik wie der Chemie. Daneben aber mussten für die Ausführung elektrochemischer Untersuchungen ganz besonders Vorkehrungen getroffen werden.

Dementsprechend besitzt eine grössere Anzahl Räume Pfeiler und Konsolen für feste Aufstellungen, wie sie in physikalischen Instituten üblich sind; besonders brauchbar für diesen Zweck sind grosse Steinplatten, die anstatt der Fensterbretter eingemauert werden und im Neubau dementsprechend fast nirgends fehlen. Für eine lange Vertikallinie wurde in der Weise gesorgt, dass in einer Ecke des Saales I im Fussboden wie in der Decke eine herausnehmbare Platte sich befindet, so dass am Dache ohne weiteres eine Suspension, ein offenes Manometer oder dergl. von ca 10 m Länge angebracht werden kann. Auch ist für das Vorhandensein langer Horizontallinien für Fernrohrablesung u. s. w. gesorgt. Für chemische Arbeiten ist besonders das Zimmer IV völlig in der üblichen Weise mit Arbeitstischen etc. versehen; aber auch in anderen Teilen des Instituts befinden sich Abzüge. Zum Arbeiten mit Quecksilberluftpumpen u. dergl. sind einige Zimmer mit schwach geneigten Betonfussböden in der bekannten Weise versehen. - Als einfache und dabei sehr billige Verdunkelungsvorrichtung bewährten sich Zuggardinen aus dichtem, dunkelroten Baumwollstoff; dadurch, dass dieselben oben von einem etwa ½ m langen Tuch bedeckt, seitlich an Holzleisten befestigt sind und ganz übereinander gezogen werden können, ferner lang herunterhängen, wird ein fast völliger Lichtabschluss erzielt. (Preis pro Fenster ca. 28 Mk.)

Auf Freiheit von ruhenden Eisenmassen legte ich keinen Wert. Ich glaube auch nicht, dass heute noch jemand ein sogenanntes eisenfreies physikalisches Institut bauen wird, da ja doch gegenwärtig die elektrischen Messungen leicht unabhängig vom Absolutwert des Erdmagnetismus ausgeführt werden können. Ich trug demgemäss auch kein Bedenken, die Maschinenanlagen ziemlich in die Mitte des Instituts zu verlegen - Zimmer 1 -, denn eine ruhende Maschine stört kaum und es scheint mir sogar vorteilhaft, dass die Praktikanten zuweilen Gelegenheit haben, die Störungen der laufenden Maschine kenne zu lernen und ihnen nach Möglichkeit zu begegnen, umsomehr, als sie ja später in der Praxis leicht einmal gezwungen werden können, unter derartigen schwierigen Verhältnissen Messungen auszuführen. Im übrigen dürfte das Institut durch seine Lage vor sonstigen magnetischen Störungen selten gut geschützt sein.

Besonderes Augenmerk musste natürlich der elektrischen Anlage zugewandt werden. Der Elektricitätsbedarf wird durch eine von einem zahnpferdigen Deutzer Gasmotor getriebene Siemens'sche Nebenschlussdynamo gedeckt. Letztere liefert liefert bei 65 Volt 91 Ampère, bei 90 Volt 65 Ampère und ist mit einer Einrichtung versehen, dass man ihr auch Wechsel- und Drehstrom entnehmen kann. Sie dient für gewöhnlich ausschliesslich zur Ladung einer Akkumulatorenbatterie von 36 Zellen à 180 Amper-Stunden Kapazität. Beim Parallelschalten von Dynamo und Akkumulatoren stehen demgemäss, wenigstens für kürzere Zeit, Ströme von über 200 Ampère bei 70 Volt Spannung zur Verfügung, was für den Betrieb elektrischer Öfen von Wichtigkeit ist.

Von den Polen der Akkumulatorenbatterie gehen Leitungen in fast alle Räume des Instituts, so dass also fast überall ein Starkstrom von 65 Volt zur Verfügung steht. Vor jedem Klemmenpaar befindet sich eine (für gewöhnlich offene) Bleisicherung, die jeweils erst auf speziellen Wunsch des Praktikanten in geeigneter Stärke eingesetzt wird, wodurch einer Überanstrengung der Akkumulatoren vorgebeugt wird. Die Akkumulatorenbatterie versieht einige Räume (chemische Sammlung, Raum für konstante Temperatur u. s. w.) mit elektrischem Glühlicht (im allgemeinen wird Gasglühlicht benutzt, das gerade für die Zwecke des experimentellen Arbeitens Ausgezeichnetes leistet). Sie dient ferner zur Skalenbeleuchtung und betreibt drei im Saal I befindliche, zur Beleuchtung dienende Bogenlampen.

Für spezielle Versuchszwecke können die Akkumulatoren in Reihen zu je sechs beliebig kombiniert werden: die Klemmen von je sechs hintereinander geschalteten Akkumulatoren führen nämlich zu einem Vielumschalter, den ich aus einem Holzkasten von 55 cm Länge, 20 cm Breite, 9 cm Höhe herstellen liess, welcher mit Paraffin ausgegossen wurde. In schräg gegenüber angebrachte Quecksilbernäpfe (im ganzen 12) münden immer je sechs Akkumulatoren. Durch Kupferbügel können nun die Akkumulatoren in Reihen zu 6 x 6, 3 x 12, 2 x 18, 1 x 36 geschaltet werden, was dadurch sehr vereinfacht wird, dass geeignete Kupferbügel durch paraffiniertes Holz ein für allemal für obige vier Schaltungsweisen passend verbunden sind. Die verschiedenen Kombinationen der Kupferbügel sind mit deutlichen Aufschriften (12 Volt, 24 Volt u. s. w.) versehen, so dass einer sonst leicht vorkommenden Verwechslung, die leicht für die Akkumulatoren und die damit betriebenen Apparate gefährlich sein kann, vorgebeugt und die ganze Schaltung überdies sehr vereinfacht wird. Bei allen obigen Schaltungen, die, wie erwähnt, nur ganz speziellen Zwecken - der Vorlesung oder des Arbeitens - dienen, werden die Akkumulatoren stets gleichmässig beansprucht, was ihre Wartung sehr erleichtert.

Im allgemeinen wird beim elektrochemischen etc. Arbeiten eine niedere Spannung verlangt. Diesem Bedürfnisse entspricht eine zweite Akkumulatorenbatterie von fünf hintereinander geschalteten Zellen, von der aus an zahlreiche Stellen des Instituts vier Leitungen geführt sind, zwischen denen paarweise ein, ein, drei Akkumulatoren sich befinden. Durch passende Kombination der vier Enden dieser Leitung kann also an jeder Stelle des Instituts (innerhalb gewisser Grenzen gleichzeitig) ohne weiteres mit 2, 4, 6, 8, 10 Volt gearbeitet werden. Die Ladung dieser kleinen Batterie erfolgt durch die grosse in der 12 Volt-Schaltung und ist demgemäss überaus bequem. Gleichzeitig dient diese Batterie zur Regulierung der grossen für die Glühlichtleitung, indem leicht immer so viel der Akkumulatoren der zweiten Batterie gegen die der ersteren geschaltet werden können, dass letztere nicht mit einer höheren als zulässigen Spannung die Lampen speist.

Das Legen der elektrischen Leitungen wurde dadurch sehr erleichtert, dass beim Bau in die meisten Wände Lochsteine dicht unter der Decke eingesetzt wurden.

Vielleicht ist eine kurze Aufzählung der wichtigsten Apparate willkommen. - Chemischer Apparat der übliche. - Vorlesungsapparat enthält neben Projektionsapparat und zahlreichen Demonstrationsapparaten verschiedener Art ein Szymanski-Galvanometer (Keiser & Schmidt, Berlin) von höchster Empfindlichkeit. Der Spiegel des Apparates wirft das Bild einer kleinen Glühlampe (gespeist durch 6 Helioselemente) auf eine 7 m entfernte Skala; bei abwechselnder Benutzung je zweier an dem Instrument angebrachter dick- und dünndrähtiger Spulen lassen sich äusserst difficile Versuche mit grösster Leichtigkeit zeigen. - Der elektrische Apparat enthält unter anderem mehrere Szymanski-Galvanometer (s. o.), mehrere Uppenborn-Galvanometer (Edelmann, München), ein Thomson-Galvanometer von Carpentier, zahlreiche andere Galvanometer, Quadranten- und andere Elektrometer, grosse und kleine Induktionsapparate, Influenz-Elektrisiermaschinen, ferner zahlreiche Apparate zur Bestimmung des Widerstandes, der Stromstärke, der elektromotorischen Kraft, der Dielektricitätskonstante, Sätze von Widerständen und Kapazitäten, zahlreiche technische und Präzisions-Spannungs- und Strommesser u. s. w. - Der elektrotechnische Apparat enthält einen kleinen ½ pferdigen Gasmotor nebst kleiner Dynamo zur Demonstration (Umbreit & Matthes, Leipzig), Bogenlampen, Wattmesser, Transformatoren, Gleichstrom- und Drehstrommotoren etc. - Der photochemische Apparat enthält einen Gitterspektralapparat mit Vorrichtung zur photographischen Aufnahme von Steinheil, verschiedene andere Spektralapparate, Spektrometer, eine grosse Universalkamera, ein Pulfrich-Refraktrometer von Wolz, ein Differenzrefraktrometer von Zeiss, ein grosses Krystallisationsmikroskop, ein Polaristrobometer von Schmidt & Haensch. - Der thermochemische Apparat enthält die Gefrier- und Siedeapparate nach Beckmann, gewöhnliche, Eis- und Verbrennungskalorimeter, einen Druckapparat nach Cailletet bis 1000 Atmosphären, elektrische Öfen, ein Pyrometer nach Le Chatelier (Keiser & Schidt). - In der Abteilung Varia befinden sich u. A. Wagen, Kathedometer, zwei selbstthätige Quecksilberluftpumpen (Kramer, Freiburg) und eine Toepler-Luftpumpe von Glasbläser Reinhardt, Hannover. Von diesen Quecksilberluftpumpen ist besonders letztere höchst preiswert und funktionierte tadellos.

Im Saale I befinden sich eine Anzahl wichtiger Messapparate (Widerstands- und Kompensationsapparate, Spiegelgalvanometer etc.) fest aufgestellt, die ähnlich wie die chemischen Wagen zum allgemeinen Gebrauch bestimmt sind und von ihren Plätzen nicht entfernt werden dürfen.

Von der Einrichtung spezieller "elektrochemischer" oder "physikalisch-chemischer" Arbeitsplätze wurde Abstand genommen und ich glaube auch nicht, dass die Einrichtung solcher Arbeitsplätze thunlich oder empfehlenswert ist; schon die elektrischen Messapparate z. B. sind je nach dem Zwecke der Untersuchung zu sehr verschiedenartig, dass eine schablonenhafte Ausrüstung einer Reihe von Arbeitsplätzen doch meistens unzureichend sein würde, es sei denn, man beschränkte sich z. B. auf elektro-analytische Arbeiten oder dergl. Was für rein chemische Arbeiten ja bekanntlich möglich und üblich ist, nämlich die Einrichtung von Plätzen, auf denen der Praktikant das für die gewöhnlichen Arbeiten Notwendige vorfindet, verbietet sich von selbst bei physikalisch-chemischen Untersuchungen mit ihren mannigfachen Arbeitsmethoden.

Wohl aber lässt sich, wie mir scheint, eine kleine Zusammenstellung von Messapparaten angeben, mit denen der Elektrochemiker in der Regel auskommen wird, und da gegenwärtig wohl vielfach das Bedürfnis nach einer derartigen kleineren Anlage vorliegt, so möchte ich bei der folgenden Aufzählung neben die Apparate den ungefähren Preis und den Namen des Lieferanten setzen, natürlich ohne damit verneinen zu wollen, dass ein anderer Lieferant den Apparat in gleicher Vorzüglichkeit liefert.

Aperiodisches Uppenborn-Spiegelgalvanometer (80 Mk., Edelmann, München).

Hochempfindliches dünndrähtiges Spiegelgalvanometer nach Szymanski (90 Mk., Keiser & Schmidt, Berlin).

1 kleines Ablesefernrohr mit Skala (40 Mk., Bartels, Göttingen).

Widerstandssatz*) 1, 2, 3, 4 ... 4000, Summe 11110 (120 Mk., Edelmann, Hartmann & Braun).

Brückenwalze (80 Mk., Hartmann & Braun, Frankfurt a. M.).

Clarkelement, Widerstandsgefäss für Elektrolyte, Kommulatoren, Stromschlüssel u. dergl., ev. auch sonstige Drahtwiderstände fertigt man sich am besten selber; ein Telephon und ein kleines Induktorium ist überall für ein Billiges zu haben. - Mit obigen Apparaten lassen sich beliebige Ströme, elektromotorische Kräfte und Widerstände (metallischer oder elektrolytischer Natur) fast stets auf ein Promille messen; sie reichen also für ziemlich alle Bedürfnisse des Elektrochemikers aus und machen alle weiteren Ampèremeter oder Voltmeter, so bequem auch letztere häufig im Gebrauch sind, wenigstens im Prinzip entbehrlich. Anstatt des Szymanski-Galvanometers kann man sich häufig fast ebensogut eines Kapillarelektrometers bedienen, das man sich jederzeit leicht improvisieren kann.

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*) Derselbe muss mit Klemmschrauben versehen sein, um bequem von jedem einzelnen Widerstande eine Abzweigung machen zu können; zwischen jede Dekade muss der Widerstand ¥ einzuschalten sein.

Ziele des Instituts.

Bei einem in mancher Hinsicht neuartigen Institute wie dem unsrigen dürften einige Worte über die Prinzipien angebracht sein, nach denen Einrichtung und Leitung erfolgt.

Die physikalische Chemie ist offenbar in neuerer Zeit deshalb zu allgemeinerer, naturwissenschaftlicher Bedeutung gelangt, weil sie zwei unserer blühendsten Wissenschaften, Physik und Chemie, dadurch aus Innigste verknüpft, dass sie einerseits in die Chemie die bewährten theoretischen und experimentellen Methoden der Physik einführt, andererseits aber auf wichtige Probleme der Physik neues Licht wirft, indem sie sich die grossen Entdeckungen der Chemiker zu Nutzen macht.

Man hat also den Physiko-Chemiker wohl kaum als einen neuen Spezialisten anzusehen, sondern er ist vielmehr derjenige (oder sollte es wenigstens sein), der an das Studium der Aussenwelt mit allgemeineren Gesichtspunkten und Methoden herangeht, als es der Physiker oder Chemiker in seinen Spezialgebieten thut.

Es würde demnach eine Verkennung der Entwicklung der physikalischen Chemie sein, wenn man sich nunmehr völlig spezialisieren und einem besonderen Zweige des Grenzgebietes zwischen Physik und Chemie, z. B. der Elektrochemie, ein eigenes Institut widmen wollte. Wohl aber ist zweifellos gerade letzteres Gebiet dasjenige, dessen Bearbeitung gegenwärtig in vieler Hinsicht die lohnendste Ausbeute verspricht und auf dessen besondere Pflege wiederholt lebhaft hingewiesen zu haben ein hohes nationales und gleichzeitig auch wissenschaftliches Verdienst unserer chemischen Grossindustrie bedeutet.

Durch diese Bemerkungen möchte ich gleichzeitig den Namen rechtfertigen, den das neue Institut bekommen hat.

Das Institut unterscheidet sich von den meisten übrigen wissenschaftlichen Laboratorien dadurch, dass es nur Vorgeschrittenere aufnimmt, d. h. solche, die bereits eingehendere physikalische und chemische Studien hinter sich haben. Dementsprechend brauchte auf ein Anfängerpraktikum keine Rücksicht genommen werden, und dies ermöglicht es wieder, dass man mit der Lieferung von Chemikalien und Apparaten an die Praktikanten liberaler vorgehen und auch subtile Instrumente eher zur allgemeinen Verfügung stellen kann, als in anderen Instituten, wo immer auf die Unkenntnis und Ungeschicklichkeit der allerersten Anfänger Rücksicht zu nehmen ist.

Das Institut soll ferner gleichzeitig den Zwecken der Forschung wir des Unterrichts dienen; um dies zu ermöglichen, muss man, soweit es geht, beide Ziele zu vereinigen suchen. Hierfür haben wir das klassische Vorbild in der Methode, nach welcher auf den Universitäten seit langem gearbeitet wird, nämlich den Schwerpunkt des Unterrichts Vorgeschrittener auf die gründliche Behandlung einer gestellten oder selbstgewählten Aufgabe und demgemäss den der Prüfung auf die Lieferung einer wissenschaftlichen Arbeit zu verlegen. Der Schüler soll dadurch, dass er ein wissenschaftliches Problem mit Erfolg zu bearbeiten und die Resultate in einer Dissertation geordnet mitzuteilen gewusst hat, den Beweis liefern, dass er nicht nur wenigstens in einem Zweige seiner Disziplin sich völlig sicher fühlt, sondern auch seine jugendlichen Kräfte in der Überwindung ungewöhnlicher Schwierigkeiten zu stählen bereit war.

Der Schreiber dieses möchte bei dieser Gelegenheit nicht zu bekennen unterlassen, dass er in seiner Studienlaufbahn gerade bei der für jeden eifrigen Naturforscher so ungemein reizvollen Beschäftigung mit wissenschaftlichen Problemen die Mehrzahl seiner Kenntnisse sich erworben hat und so nicht durch mühsames Studium, sondern durch Arbeit, die ebenso sehr Vergnügen war, die Mehrzahl der Examensvorbereitungen erledigte; und er möchte dies umsomehr betonen, als man ja gegenwärtig gegen die Doktorprüfungen der Universitäten häufig zu opponieren beliebt, allerdings meistens mit Argumenten, die deutlich verraten, dass die Betreffenden von dem Geiste jener Unterrichtsmethode unberührt geblieben sind.

Es ist vielleicht auch nicht unzeitgemäss, darauf hinzuweisen, wieviel wichtige Fortschritte die neuere wissenschaftliche Elektrochemie den Doktordissertationen verdankt, die z. B. aus dem von Prof. Ostwald geleiteten Laboratorium hervorgegangen sind.

Nun ist es weder für die Sache, noch für den Schüler gedeihlich, wenn letzterer ohne die gehörigen allgemeinen Grundlagen an die Bearbeitung einer grösseren spezielleren Aufgabe geht, die ja zweifellos seine Fähigkeiten anregt, aber ihn naturgemäss sehr in Einzelheiten führt. Ich pflege dem Wunsche solcher, die mich um ein Thema angehen und noch nicht selbständig gearbeitet haben, nicht eher zu entsprechen, als ich mich durch eine Anzahl Übungsaufgaben über ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einigermassen orientiert habe. Aus dem gleichen Grunde schien mir die Einrichtung eines vorbereitenden Praktikums wichtig, das nach folgendem Plane gehandhabt wird:

1. Allgemeine physikalisch-chemische Übungen; in diesen werden Aufgaben behandelt, die über den Rahmen des gewöhnlichen physikalischen und chemischen Praktikums hinausgehen und spezielle Gebiete der physikalischen Chemie betreffen (Thermochemie, Verwandtschaftslehre, Elektrochemie, Molekularphysik).

2. Elektroanalytisches Praktikum, mit besonderer Berücksichtigung der neueren Methoden der Metalltrennungen durch Anwendung verschiedener elektromotorischer Kräfte.

3. Herstellung von Präparaten auf elektrochemischem Wege (z. B. von überschwefelsauren Salzen, reinem Zink, Kalciumkarbid u. s. w.).

4. Elektrotechnische Übungen, mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Elektrochemie.

Die Praktika 3. und 4. sind erst in der Einrichtung begriffen und beginnen im kommenden Wintersemester.

Die Vorlesungen, die im Institut gehalten werden, betreffen folgende Gebiete: ausgewählte Kapitel der physikalischen Chemie (Abegg, Nernst), Elektrochemie (Nernst), Elektroanalyse, Elektrometallurgie (Lorenz), Prinzipien der Elektrotechnik und der physikalischen Technologie überhaupt (Des Coudres, Nernst), Einleitung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften (Schönflies); dass in Göttingen überdies zahlreiche Vorlesungen aus dem Gebiete der Mathematik, experimentellen und theoretischen Physik, Chemie und chemischen Technologie gehalten werden, braucht nicht besonders erwähnt zu werden.

Um einen Einblick in die Arbeitsweise des Instituts zu gewähren, seien die Gegenstände einiger Arbeiten kurz aufgezählt, die im vergangenen Semester teils zum Abschluss gelangt, teils ihm wenigstens nahe gebracht worden sind:

Dielektrische Messungen nach verschiedenen Methoden, grossenteils mit Anwendung sehr schneller elektrischer Schwingungen.

Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Kathodenstrahlen.

Leitfähigkeit von Salzdämpfen.

Gefrierpunkt sehr verdünnter Lösungen.

Molekulargewichtsbestimmungen im System Wasser-Äther.

Innerer Widerstand von galvanischen Elementen.

Studien über die Verwendbarkeit einiger Elektrometer und Galvanometer.

Elektrolytische Dissociation des Wassers.

Messungen von Polarisationskapazität mit Hilfe des Telephons.

Temperatur der Bunsenflamme.

Reguliervorrichtungen für kleine Heissluftmotore und für Thermosäulen.

Von umfangreicheren Aufgaben befindet sich auf dem Arbeitsprogramm des Instituts erstens diejenige, das dielektrische Verhalten der Stoffe in möglichstem Umfange und nach möglichst exakten Methoden zu untersuchen, ferner aber die Aufgabe, unsere Kenntnisse von den mit chemischen Vorgängen verknüpften, Änderungen der freien Energie möglichst zu erweitern.

Schon vor drei Jahren betonte ich in meinem Lehrbuch der theoretischen Chemie (S. 543), dass es die klar vorgezeichnete Aufgabe der Thermochemie wäre, die Messungen des Betrages der Änderungen der freien Energie, die mit einem chemischen Prozesse verknüpft sind, in ähnlichem Umfange durchzuführen, wie es für die Änderungen der gesamten Energie (Wärmetönungen) bereits geschehen ist, und dass nach Lösung dieser Aufgabe es möglich sein würde, durch einen Blick in die Tabellen der freien Energie sich davon zu überzeugen, ob eine Reaktion unter gegebenen Umständen möglich ist oder nicht. Zur Lösung dieser für die stofflichen Veränderungen der Körperwelt zweifellos fundamentalen Aufgabe beizutragen, scheint mir umsomehr eine Ehrenpflicht des Instituts zu sein, als gegenwärtig wohl feststeht, dass elektrochemischen Messungen der Löwenanteil in der Bewältigung jenes Problems zufällt.

Möge die neue Heimstätte der physikalischen Chemie sich würdig zeigen ihrer älteren Geschwister, des physikalischen und chemischen Laboratoriums unserer Georgia Augusta.


Walther Nernst homepage


Revised 2005-08-14